Befreiungskonzert 1945 und 2018

Befreiungskonzert

In Erinnerung an das Befreiungskonzert vom 27. Mai 1945, das 13 jüdische Musiker auf dem Platz an der heutigen Ottilianer Schulkirche aufgeführt haben, fand am vergangen Sonntag das Konzert mit Geigerin Anne-Sophie Mutter und dem symphonischen Orchester der Buchmann-Mehta School aus Tel Aviv statt. Eingerahmt wurde Veranstaltung in der Klosterkirche von der Schola St. Ottilien. Das Konzert beschloss den Reigen der Veranstaltungen, die das Kloster in diesem Jahr der Aufarbeitung der Jahre des DP-Hospitals in St. Ottilien gewidmet hat.

Weitere Informationen auf der Seite des Online-Archivs zum DP-Hospital St. Ottilien:

www.dphospital-ottilien.org

Siehe auch den Beitrag auf der Mediathek des BR

 

Grusswort Abt Notker Wolf OSB

Musik, verehrte Gäste, ist erhaben über alle Grenzen. Sie übersteigt Grenzen von Ländern und Zeiten - ja auch von Zeiten; denn sie verbindet uns am heutigen Tag mit denjenigen, die noch kaum den Qualen und Martern der Konzentrationslager der Nazis entronnen, zu einem solchen Konzert fähig waren, einem „Befreiungskonzert“, wie sie es damals schon nannten. Die Musik verbindet uns mit ihrer Klage über die Grausamkeiten der Täter aus unserem Volk, und es ist die Musik, zu der wir greifen, weil die Entwürdigung dieser Menschen nicht in Worte zu fassen ist, sie ist unaussprechlich. Selbst die Lieder sind mehr als Worte.

Die Melodien und Lieder dieses Befreiungkonzerts verbinden uns mit den Schmerzen und Tränen dieser Menschen, sie machen uns eins mit ihnen. Wir fühlen mit ihnen, mit ihrem Leiden, mit ihren Tränen, aber auch mit ihrer Hoffnung, mit ihrem Glauben, dass nicht der Tod die letzte Antwort auf unser Fragen darstellt, sondern das Leben, die Hoffnung auf das verheißene Land, der Glaube, dass Gott sein Volk nie verlässt. Öffnen wir das Ohr des Herzens, tragen wir das Schicksal der Befreiten mit und lassen wir uns ebenso mittragen vom Glauben und Hoffen dieser großartigen Menschen.

Möge in dieser Weise dieses Konzert auch ein Ausdruck der Versöhnung sein mit diesen Leidenden, die unserem Kloster zugewiesen wurden in einer Zeit, als unsere Brüder aus ihrem erzwungenen Kriegsdienst und aus der Gefangenschaft in ihre Heimat zurückkehrten. Es war ein spannungsvolles Neben- und Miteinander. Im Abstand können wir heute ihre Anwesenheit bei uns dankbar als Geschenk der göttlichen Vorsehung erkennen.

Ein besonderes Zeichen der Hoffnung ist die Geburt junger Menschen. Das Leben geht nicht nur weiter, ein Baby ist immer eine Öffnung auf ein völlig neues Leben hin. Wir blicken wieder nach vorne, über 400 jüdische Nachkommen haben St. Ottilien als Ort ihrer Geburt in ihrem Pass verzeichnet. Es ist uns daher eine besondere Ehre und Freude, dass 2 der Ottilien-Babies, wie sie genannt wurden, Dr. Arik Bahat und Gershon Movschovitsz mit ihren Ehefrauen heute aus Israel zu uns gekommen sind. Frau Emmanuela Grinberg, die Enkelin des ersten Krankenhausleiters Dr. Zalman Grinberg, und Dr. Eli Ipp, der Sohn des zweiten Krankenhausleiters Dr. Chaim Ipp, mit Frau, sind aus den USA angereist. Ihnen gilt unser besonderer Dank und Willkommensgruß. Mögen sie heute erfahren, wie sehr wir ihre Elterngeneration achten und würdigen, wie sehr wir ihren unermüdlichen Einsatz für die verzweifelten Menschen heute noch schätzen.

Unser Gruß gilt nicht minder der Schirmherrin der heutigen Veranstaltung, Frau Charlotte Knobloch, der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, sowie Frau Prof. Marion Kiechle vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst und Frau Michelle Müntefering, Staatsministerin für internationale Kultur- und Bildungspolitik im Auswärtigen Amt.


Ein besonderer Dank gilt dem  Symphonieorchester der Buchmann-Mehta-School, das eigens aus Israel angereist ist, unter der Leitung von Prof. Zeev Dorman, sowie der international bekannten Opernsängerin Hila Baggio. Maestro Zubin Mehta hätte gerne selbst das Orchester geleitet. Das Programm trägt seine Handschrift. Aber er ist ernsthaft erkrankt, und wir wollen auch seiner gedenken.

Die Begrüßung unserer einzigartigen Solistin Anne-Sophie Mutter führt uns wieder zurück zur Musik. Ehrlichen Dank, dass Sie zu uns gekommen sind. Sie werden uns mit dem 5. Violinkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart beschenken. Mozart ist ein Heiliger; denn er erfreut die Herzen der Menschen schon über 200 Jahre lang. Seine Musik führt uns heute nochmals zurück zu den ausgemergelten Überlebenden des KZ von Dachau, die teils auf Tragbahren zum Konzert getragen werden mussten, weil die zu schwach waren. Ihre Tränen des Schmerzes und ihre Tränen der Hoffnung sind auch unsere Tränen, die wir all die Schrecken hinter uns lassen dürfen. Danke, Frau Mutter, dass Sie uns helfen, die Erinnerung an die grausame Zeit wachzuhalten. Auch heutzutage bräuchten wir mehr solcher Befreiungskonzerte angesichts der zahlreichen Leiden und Grausamkeiten in unserer Welt.

Wir wollen den befreiten Häftlingen danken, dass sie durchgehalten und sich wieder hoffnungsvoll auf ein neues Leben vorbereitet haben. Wir wollen ihnen danken, dass sie uns auch das heutige Konzert geschenkt haben.

Danken möchte ich nun aber auch Ihnen, verehrte Gäste, die Sie zu diesem Konzert gekommen sind und Ihre Sympathie und Empathie zeigen. Ich begrüße Sie im Namen unserer Gemeinschaft und von Erzabt Wolfgang Öxler, der heute leider auf den Philippinen an der Äbteversammlung unserer Kongregation teilnehmen muss.

Jetzt bitte ich Sie alle, zu einer Gedenkminute aufzustehen, für alle, die inzwischen ins ewige Leben eingegangen sind, besonders jener, die auf unserem Friedhof ruhen.. - Herr, gib ihnen die ewige Ruhe! Und das ewige Licht leuchte ihnen! Herr, lass sie ruhen in Frieden! - Danke.

Öffnen wir nun das Ohr unseres Herzens, um - eins mit den Befreiten - ihre Schmerzen und Tränen in uns aufzunehmen, aber auch ihre Hoffnung, dass der Allmächtige die Seinen nicht im Stich lässt. Wir haben eingangs das Jubilate Deo gehört, den Lobpreis auf Gott, der uns liebt und dessen Liebe wir in Worten nicht ausdrücken können, deren wir aber in der Musik gewahr werden und die wir hiermit beantworten.


Dr. Notker Wolf OSB
Abtprimas emeritus