Die Weihnachts-Predigten von Erzabt Wolfgang Öxler OSB zum Nachlesen

ErzabtHier finden Sie die beiden Predigten zur Weihnachtsvesper und zur Christmette von Erzabt Wolfgang Öxler OSB am 24ten Dezember 2018:

 

Predigt zur 1. Weihnachtsvesper am 24. 12. 2018 in der Erzabtei St.Ottilien
Erzabt Wolfgang Öxler OSB

Das Kind im Stall – Gott in meiner Welt
Ein Kind im Stall. Sie wissen wie es in einem Stall aussieht und wie es da riecht. Würden Sie ihr Kind da auf die Welt bringen wollen?
Sauber müsste es schon sein – für das Kind. Heimelig, warm und gemütlich. Vor Wind und Wetter geschützt. Fließend Wasser, ein Bett und  genug zu essen.  
Doch der Alltag des Lebens sieht anders aus: In unserem Leben ist nicht alles schön. Das Leben ist kein Reinraum, kein Schloss. Die Welt ist keine heile Welt. Unter Schmerzen und Geschrei geboren werden, groß werden, Alltag und Arbeit, Schweiß und Sorge, bis hin zu sterben – gehört zum Leben.  Das wirkliche Leben gleicht doch mehr einem Stall. Auch Unrat, Mist und Mief finden wir überall:


    • Da, wo ein FreundIn  die Diagnose Krebs bekommt   
    • Da wo, Mann und Frau die sich so sehr liebten trennen und die Kinder wissen nicht mehr wo sie hingehören.
    • Da, wo Menschen sich aus irgendeinem Grund loslassen mussten.
    • Da, wo  Alkohol  das Leben vernebelt.
    • Da wo Depressionen   den Menschen die Kraft zum Leben wegnimmt.
    • Da, wo der Tod eines lieben Menschen das  Leben plötzlich so sinnlos erscheinen lässt.
    • Da, wo Menschen sich selbst verletzen,
    • Da, wo Menschen  glauben dass durch einen Suicid alles gelöst sei.


Wenn Menschen in schwierigen Situationen sind höre ich sie oft sagen: „So ein Mist!“  Ja in diesen Mist hinein wird uns der Heiland geboren. In einem Stall gebar Maria ihren Sohn Jesus Christus…
Gottes Sohn kommt nicht im Palast, nicht in der Klinik, sondern im Stall – in den Niederungen des Lebens- zur Welt. Im Alltag, im Mist in der Umgebung die am wenigsten nach IHM riecht kommt unser Gott auf die Welt. Er wird nicht auf Rosen gebettet, sondern auf Stroh. Als erstes Bett bekommt er einen Futtertrog. Seine Mitbewohner sind Schafe, Ziegen Rinder, Ochs und Esel. Und seine ersten Gäste sind Hirten, die Außenseiter der Gesellschaft.  Und die zweiten sind auch nicht besser: Fremde aus Afrika und dem Nahen Osten. Da hinein wird Gott- Mensch.
Das heißt: Ich brauche keine künstliche Welt zu schaffen, damit Gott zur Welt kommt. Er will in meine Welt, in meinen Stall, in den Mief meines Alltags, meiner Wirklichkeit, ja auch in den Mist den es in meinem Leben gibt, kommen.
Was ich ihm schenken kann ist genau das: Meine Unzulänglichkeiten, Meine Angst meine Sorgen. Dahinein will sich der menschgewordene Gott betten lassen. In das Stroh meines Alltags lässt ER sich legen.

 

Predigt  zur Heiligen Nacht am 24. Dezember 2018                                            

  Stille Nacht, heilige Nacht! Hirten erst kundgemacht…                                                                                  

Stille Nacht, heilige Nacht!
Hirten erst kundgemacht,
Durch der Engel Halleluja.
Tönt es laut von fern und nah:
Christ, der Retter ist da,
Christ, der Retter ist da!


Liebe Sr. und Brüder!
Ja, Christ, der RETTER ist da. So lautet die Frohe Botschaft dieser Heiligen Nacht, die Botschaft des Liedes Stille Nacht, heilige Nacht. Dieses Lied wurde vor zweihundert Jahren geschrieben. Es knüpft an den Titusbrief und an das Lk. Evangelium  an: Heute ist uns der Retter geboren. Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten
Zum ersten Mal gesungen wurde das Lied zum Weihnachtsfest 1818 in der Kirche von Oberndorf in der Nähe von Salzburg. Ein katholischer Hilfspriester namens Joseph Franz Mohr hatte den Text 1816 gedichtet. Der Organist Franz Xaver Gruber hat die Musik gemacht. Angeblich war der Anlass, dass genau zu Weihnachten die Orgel ausfiel, so dass er mit der Gitarre spielte.
 
Den Hirten wird der Retter verkündet
Spannend, dass diese frohe Botschaft zuerst den Hirten verkündet wird. Der Evangelist Lukas legt in seinem Evangelium großen Wert auf diese Tatsache. Hirten - das waren damals Menschen der untersten Gesellschaftsklasse. Man nahm zwar gerne ihre Dienste in Anspruch, aber man hätte sich nicht neben sie gesetzt. Als Hirte konnte man nicht die vielen Gebote halten, die den Frommen ans Herz gelegt waren. Als Hirte konnte man nicht in den Tempel und nicht in die Synagoge gehen, wie sich das gehört hätte. Als Hirte war man religiös gesehen ein Nichts.
Und genau denen wird verkündet: EUCH ist heute der Retter geboren. Und Euch als allerersten gilt das Heil. Euch schenkt Gott vor allen anderen seine Aufmerksamkeit und seine Liebe.  Joseph Franz Mohr, der Dichter des Liedes Stille Nacht, ist, soweit wir wissen, ein ziemlicher Unglücksrabe gewesen. Er kam aus ärmlichen Verhältnissen und wuchs als uneheliches Kind auf, der Vater war ein fahnenflüchtiger Soldat, den er nie kennen gelernt hat. Später musste er etliche Mal die Stelle als Priester wechseln, immer wieder gab es Ärger. In gewisser Weise auch ein armer Hirte.

Für die „Kleinen“ hat er ein Herz 
was da bei der Geburt Jesu schon angedeutet wird, das wird das ganze Leben dieses Jesus durchziehen: Seine Liebe zu den Kleinen. Seine Liebe zu all denen, die von anderen verachtet werden, weil sie irgendwie nicht gut genug sind: Nicht fromm genug, nicht gesund genug, nicht erfolgreich genug. Nein, genau für diese „Kleinen“ hat er ein Herz. Denn er will nicht die Belohnung sein, die Gott den Perfekten und Großen geschickt hat, sondern der Trost für die Trauernden, das Medikament für die Kranken und das Heil für die Sünder.
Dietrich Bonhoeffer hat das einmal so formuliert:
Wo die Menschen sagen „verloren“ – da sagt Gott „gefunden“;
wo die Menschen sagen „gerichtet“ – da sagt er „gerettet“;
wo die Menschen sagen „nein“ – da sagt er „ja“.
Ich füge hinzu: Wo die Menschen sagen laut  - da sagt Gott leise.

Stille Nacht – Gottes Kraft steckt im Pianissimo
Gott kommt nicht im Spektakel zur Welt, sondern in der stillen Nacht in den leisen Tönen. Das Salzburger Museum macht mit dem Lied 200 Jahre Stille Nacht auf ihren Taschen Werbung: Stille Nacht - - Laut ist cool -  leise auch.   Es ist die Kraft des Leisen. Der Gott der sich im leisen Säuseln offenbart. Gottes Kraft steckt im Pianissimo. Die lauten Töne, das Fortissimo scheinen nur auf den ersten Blick stärker. Dieses Lied das in über 300 Sprachen geschrieben wurde hat eine völkerverbindende Bedeutung.  Hat doch dieses Lied: Stille Nacht heilige Nacht“,   am 24. Dezember 1914 an der Westfront am Heiligen Abend mit seinen leisen Tönen im lauten Kriegsgefecht für Frieden gesorgt. Die lauten Töne, sie überwältigen, schreien nieder - aber sie machen uns nicht empfangsbereit, sie überzeugen uns nicht, sie rühren nicht unser Herz an. Das tut das Kind in der Krippe. Es rührt unser Herz an, weil es in uns den Wunsch weckt, zu beschützen, da zu sein, Kraft und Aufmerksamkeit zu schenken - es weckt unsere Aktivität. In diesem Kind ist der Himmel auf die Erde gekommen – und das Paradies ist wieder offen.
 
Der Apfel als Symbol der Gnade
In einer Geschichte wird erzählt, dass nicht nur die Hirten und die Weisen aus dem Morgenland zur Krippe kamen, um das Kind zu sehen, sondern auch eine alte, von vielen Lebensjahren gebeugte Frau sei gekommen. An der Krippe stehend habe sie etwas aus ihrem Umhang hervorgeholt und in die Krippe gelegt: Einen roten Apfel. Und das Kind habe sie angelächelt.
Und diese alte Frau sei Eva gewesen. Die Frau aus der Paradiesesgeschichte, die nun Jesus die Frucht vom Baum der Erkenntnis in die Krippe legt.
Das lateinische Wort für Apfel heißt „malum“. Und dieses Wort bedeutet wiederum wörtlich übersetzt „Übel“ oder auch „Unheil“. Ja, Eva, der „alte“ Mensch, legt Jesus, dem „neuen“ Menschen, alles Übel und Unheil dieser Welt in die Krippe. Aber nicht aus Bosheit, sondern in tiefem Glauben und in festem Vertrauen - weil sie weiß: Mit der Geburt Jesu rückt Gott die ganze Menschheitsgeschichte wieder grade. Der Apfel wandelt sich zum Symbol der Gnade. Der rote Apfel versinnbildlicht auch das Blut, das der Neugeborene später vergießen wird, um die Menschen zu erlösen. Krippe und Kreuz bilden eine Einheit.
Was vorher schlecht war, das wird jetzt wieder gut und gerecht gemacht. Was verloren war, das ist jetzt wiedergefunden. Denn dieses Kind ist der Retter. Es ist der Heiland der ganzen Welt. Er ist auch ihr Retter. Sie sehen an unserem Marienaltar, wie Maria den Apfel in der Hand hält. Und deshalb heißt Weihnachten feiern: Dem Heiland im Stall von Bethlehem begegnen – um selbst heil zu werden.
Von den Hirten können wir folgendes lernen:

Aufbrechen  und losgehen, wie die Hirten
Die Hirten haben sich auf den Weg gemacht, den Boten Gottes vertraut und suchen das Kind, um diesem Kind zu begegnen. So, wie Sie sich heute Abend auf den Weg gemacht haben, um im Gottesdienst die Weihnachtsbotschaft von der Geburt des Retters zu hören.

Einfach da sein, wie die Hirten
Das zweite: Die Hirten stehen so an der Krippe, wie sie sind: Ich bin da, so wie ich bin. Sie tragen kein Festtagsgewand, das haben sie vermutlich gar nicht ... sie sind einfach da ... - Ich kann der sein, der ich bin, ich kann die sein, die ich bin –Ich komme mit leeren Händen vor Gott. Nicht ich bringe Geschenke, ich werde beschenkt.

 Lied : Stille Nacht, heilige Nacht   (von Erzabt Wolfgang Öxler OSB gesungen)