Einordnung eines Missbrauchsfalls (1974/75, Internat St. Ottilien)

statementMit dem Vorwurf von sexuellen Missbrauch in der Internatserziehung in den Jahren 1974/75 hat sich ein ehemaliger Internatsschüler an die Presse gewandt. Dazu erschien in verschiedenen Medien der Ippen-Media-Gruppe am 17.5. ein Artikel.

Die Klostergemeinschaft nimmt den Fall, wie auch alle anderen Meldungen sehr ernst und ist den Anschuldigungen im Jahr 2010 nachgegangen. Der beschuldigte Bruder ist in den 1990er Jahren verstorben und konnte nicht mehr mit dem Vorwurf konfrontiert werden.

Der Betroffene hat im Rahmen einer Anhörung im Jahr 2010 der Missbrauchskommission berichtet. Ebenso gab es ein Gespräch mit dem damaligen Erzabt Jeremias, in dem dieser seine tiefempfundene Verzeihungsbitte geäußert hat. Bis heute gibt es keine Angaben über den Missbrauch, so dass man sich in St. Ottilien schwer getan hat die Tat in Bezug auf eine Entschädigungssumme einzuordnen.

Abt Notker Wolf war allerdings weder zum Tatzeitpunkt (1974/75) noch zum Zeitpunkt der Aufarbeitung im Amt des Erzabts von St. Ottilien. Er lehrte damals an der Hochschule Sant´Anselmo in Rom. Damit war er weder verantwortlich noch berechtigt in dieser Angelegenheit für die Erzabtei zu handeln. Zum Zeitpunkt der Aufarbeitung 2010 lag die Verantwortung bei Erzabt Jeremias Schröder, der sich ernsthaft und gründlich um die Aufarbeitung eingesetzt hat. Das belegen seine Predigt vom Februar 2010, öffentliche Erklärungen wie ein Sachstandsbericht 2010, der alle bis dato bekannten Fälle aufführt und die Korrespondenz mit den einzelnen Betroffenen.

Auch Erzabt Wolfgang bewegt der Fall: „Wenn ich von Leid erfahre, das insbesondere junge Menschen durch Ordensmitglieder erlitten haben, spüre ich Wut und Traurigkeit. Wir schauen und hören bei solchen Hinweisen genau hin und haben alle Fälle zu sexueller Gewalt oder Gewalt, die seit 2010 bekannt geworden sind bearbeitet. Dass es hinsichtlich einer Entschädigung bisher nicht zu einer Einigung gekommen ist bedauern wir.“

Hintergrund
Insgesamt haben sich in St. Ottilien 25 Betroffene von Gewalt und sexuellem Missbrauch gemeldet. In sieben Fällen hat sich der Verdacht nicht erhärtet: In zwei Fällen hat sich herausgestellt, dass es sich bei der Missbrauchs -Anschuldigung um eine Übertragung handelte. Tatsächlich hat der Missbrauch aber in der eigenen Familie stattgefunden. Zwei Fälle in denen die Polizei eingeschaltet war, haben keine Anhaltspunkte ergeben. Die Täterzahl im Internat liegt bei 6. Die Erzabtei hat in 5 Fällen Entschädigungen gezahlt, psychologische Unterstützung angeboten/ bezahlt und persönlich bei den Betroffenen um Verzeihung gebeten.

Prävention
Bei Klostereintritt muss ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden. Der Themenkomplex Missbrauch ist Bestandteil der Novizenausbildung, die jeder Mönch durchläuft. Die Leitlinien der Deutschen Ordensoberenkonferenz zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch wurden in der aktuellen Fassung vom 4.9.2020 vom Erzabt in Kraft gesetzt. Außerdem gibt es regelmäßig verpflichtende Schulungen für alle Mönche, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, als Pädagogen in Schule und Tagesheim arbeiten, in Seelsorge, im Exerzitienhaus. Das Tagesheim hat ein eigenes Konzept zur Prävention und Intervention bei Missbrauch.

Ansprechpartner für Betroffene und für Menschen mit Informationen finden Sie hier: https://erzabtei.de/missbrauch