BENET2019 - Konferenz in Sydney – ein Tagebuch

Lehrer

BENET2019 - Konferenz in Sydney – ein Tagebuch
(von Hubert Hering, Schulleiter des Gym. Ettal)

Montag, 30. September
Nach z.T. sehr langen Reisen wurden die Teilnehmer der achten internationalen Konferenz für benediktinische Erziehung im St. Scholastica College in Glebe, Sydney, mit einem Tanz der Ureinwohner Australiens vor dem Toxteth House begrüßt. So öffneten sich sprichwörtlich die Tore für die Aborigines, deren Präsenz und grundlegende Bedeutung für Australien und insbesondere für das Selbstverständnis und die Arbeit der Good Samaritan Sisters eine ganz wichtige Rolle spielt. Eine ehemalige Schülerin von St. Scholastica und jetzige Abgeordnete im australischen Parlament eröffnete offiziell die Konferenz auf den Stufen des Toxteth House. In einer von den Tänzern angeführten und Didgeridooklängen begleiteten Prozession zogen die Konferenzteilnehmer in die Aula, den Trixie Forst Centre.

Grußwort von Abtprimas Gregory
Abtprimas Gregor nahm in deiner kurzen Rede Bezug auf das Motto der Tagung „Benedictine Wisdom Beneath the Southern Cross“. Dabei stellte er deutlich heraus, dass Weisheit etwas anderes ist als Intelligenz, sondern vielmehr bedeutet,  Kenntnisse und Wissen anzuwenden, um Mitmenschen zu helfen, die wirklich der Hilfe bedürfen. Wie schon im Buch der Sprichwörter des Alten Testaments zu lesen, führt Weisheit zum Glück und ermöglicht so ein gutes Leben. Gelebte Weisheit hat also auch eine große Wirkung auf das Leben unserer Mitmenschen. Wenn der Heilige Benedikt dazu auffordert, der Liebe zu Christus nichts vorzuziehen, dann verdeutlicht er dadurch, dass die Weisheit nicht etwas Abstraktes ist, sondern sich in der Person Jesu offenbart. Christus ist die Verkörperung dieser Weisheit.

Aborigines

Sr. Patty Falkner
In ihrem Grußwort nahm die Oberin der Good Samaritan Sisters, Sr. Patty, Bezug zum Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Dort macht der Evangelist deutlich, dass es nicht nur um ein Almosen oder eine Gefälligkeit geht, wenn der Samariter dem unter die Räuber gefallenen Mann hilft. Es geht um Liebe aus ganzem Herzen, oder auch mit voller Seele. Und diese Liebe kann immer dort sichtbar werden, wo Menschen ganz präsent sind.

Abt Elias Lorenzo OSB
eröffnete als Vorsitzender der ICBE (International Conference of Benedictine Educators) das BENET (Benedictine Educators Network).
Mit einem Stehempfang im Garten des Colleges, vielen interessanten Gesprächen und Begegnungen endete der erste Konferenztag.

Dienstag, 1. Oktober
Keynotes
Der australische Kontext – Terry Creagh
GottesdienstDer Tag begann mit einem Morgenlob in der Kapelle von St. Scholastica. Sr. Terry Creagh, Trägerin der Verdienstmedaille Australiens, zeichnete in einer beeindruckenden und abwechslungsreichen Präsentation mit Liedern und in wechselnden Rollen vorgetragenen Texten die Geschichte der Good Samaritan Sisters in Australien nach. Vor 162 Jahren wurde die Schwesternkongregation von Erzbischof John Bede Polding OSB gegründet. Er kam von der Abtei Downside in England nach Sydney und sah die große Not vor allem der Frauen und Kinder. Ursprünglich nannten sich die Schwestern Order oft the Good Shepherd. Da eine solche Ordensgemeinschaft aber schon existierte, benannten sie sich in Good Samaritan Sisters um, weil sie sich wie der barmherzige Samariter um Menschen in Not kümmern wollten. „Wir teilen einen Traum, wir singen mit einer Stimme,“ so leitete Terry Creagh den Blick auf die zehn Schulen der Schwestern ein. Die Grundprinzipien und Werte, die dort in unterschiedlicher Weise gelebt werden, sind unter anderem Gemeinschaft, Demut, Sozialer Dienst, Lebensbegleitung, Lectio Divina, immer konkret angewendet auf die Frage „Wer ist mein Nächster“. So werden z.B. am Mater Dei College junge Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ausgebildet und mit den notwendigen Therapien versorgt. Gerade an der zuvorkommenden und einfühlsamen Art, wie dort Inklusion gelebt wird, zeigen die Lehrkräfte, wie die Weisheit der Benediktsregel und die Prinzipien der Good Samaritan Sisters im Alltag konkret gelebt werden.
Eine wesentliche Orientierung haben die Schwestern im Konzilsdokument über die Rolle der Laien in Führungsaufgaben gefunden. Es gibt einen gemeinsamen Kontext, auf dem die Anforderungen des Lehrplans erfüllt werden. Notwendig dafür ist eine gute Zukunftsplanung auf der Basis einer klaren Struktur der Leitungs- und Verwaltungsebene der Good Sams. Die Tatsache, dass immer   mehr Laien die Leitung der Schulen übernommen haben und auch immer weniger Schwestern in den Schulen sind, macht sehr deutlich, welch große Bedeutung der Bildung (Formation) der Lehrkräfte zukommt. Durch Besinnungstage oder eine Pilgerfahrt auf den Spuren des Heiligen Benedikt nach Italien und des Gründers Bischof Polding nach England erfahren die Kollegien der Schulen immer wieder neu, worauf es bei der Arbeit mit jungen Menschen im Sinne des Hl. Benedikt ankommt. Die Schülerinnen und Schüler sollen zusätzlich zum Erwerb akademischen Wissens dahin geführt werden, dass sie zu jungen Erwachsenen heran reifen, die Verantwortung übernehmen. Aus ihrem Vortrag heraus wurde immer deutlicher, mit welch großer Leidenschaft und Empathie die Good Sam Schulen geführt und das Leben vor Ort von den Schwestern und Lehrkräften im Wort und Geiste Benedikt gestaltet werden.

Benediktinische Praxis und Weisheit – Kathy Fox
Kathy Fox, Dozentin an der University of San Diego, legte in ihrem Vortrag „Living into collaboratively carrying forth Benedictine Practices and Wisdom“ den Schwerpunkt ihrer Betrachtungen auf die Rolle der Nicht-Ordensleute und den unschätzbaren Wert der Gemeinschaft. Unerlässlich ist dabei das betrachtende Lesen der Schrifttexte, das den jungen Menschen einen anderen Zugang zum Leben ermöglicht und sie mit beiden Beinen auf dem Boden stehen lässt. Werte wie Gastfreundschaft und Lectio Divina helfen dabei, sich der Hektik und dauernden Verfügbarkeit bewusst zu werden, um dann auch wirklich zur Ruhe kommen zu können. Eine so erfahrene Begegnung mit den biblischen Texten und die Betrachtungen darüber, welche Bedeutung diese Texte für das je eigene Leben haben, werden Auswirkungen auf das Leben haben. Sehr hilfreich dabei ist auch die feste Tagesstruktur, die Benedikt seinen Mönchen in der Regel vorgibt.

WorkshopsPLenum
Am Nachmittag fanden unterschiedliche Workshops statt. Themen waren unter anderem „Benediktinische Spiritualität“, „Neue Zeiten - neue Herausforderungen in der Pastoral“, „Das Leben des Heiligen Benedikt als Beispiel für die Bildung junger Menschen heute“‚ „Sterne-Lieder-Träume und der Glaube der Ureinwohner“, „Bischof John Polding und die Gründung der katholischen Kirche von Sydney“, „Kultureller Austausch als Lernfeld“, „Heilende Herzen“ oder „Junge Frauen und die katholische Kirche“. In den anschließenden Treffen in international besetzten Kleingruppen, den sog. Deaneries, konnten sich die Teilnehmer über ihre Erfahrungen in benediktinischen Schulen in den jeweiligen Heimatländern austauschen. Abschluss und Höhepunkt des Tages war ein Dinner auf einem Schiff im Hafen von Sydney mit unvergesslichen Eindrücken von Harbour Bridge und Sydney Opera House bei Nacht.

Mittwoch, 2. Oktober
Keynote – Fr. Michael Casey OCist
Nach Frühmesse und Morgenlob hielt der Zisterziensermönch P. Michael Casey seinen Vortrag „Benediktinische Erziehung: Zwei Worte“. Sie soll eher einer sprudelnden Quelle entsprechen und nicht mit einem Wasserspeicher gleich gesetzt werden, der bei Bedarf vollgepumpt oder wieder geleert werden kann. Tradition wird häufig als etwas Unveränderliches, eher Konservatives verstanden. Im eigentlichen Sinn des Wortes bedeutet Tradition aber eher den Vorgang, dass etwas in eine neue Situation oder einen neuen Kontext hinein weiter gegeben wird. Dadurch geschieht Weitergabe des Lebens und eine Veränderung einer Kultur. Im spirituellen Sinn kann Tradition mit der Weitergabe der Frohen Botschaft gleichgesetzt werden, aus der eine neue Energie für die Bewältigung des Alltags erwachsen kann.

Anhand der Begriffe Ehre und Demut zeigte Fr. Michael auf, was benediktinische Erziehung für ihn bedeutet. Ursprünglich als Einsiedler lebende Mönche schlossen sich freiwillig zu Gemeinschaften zusammen, in denen sie auch gemeinsame Werte lebten. In den Klöstern spielte bei Benedikt die soziale Herkunft keine Rolle mehr, die Mönche sollten „ein Herz und einen Geist haben“. Benedikt treibt eine grundsätzliche Anerkennung der Würde des Menschen an.  Die in  den Zehn Geboten geforderte Ehre den Eltern gegenüber weitet er auf alle Menschen aus. Höflichkeit und Anstand sind wichtig, die Goldene Regel maßgebend für ein gutes Zusammenleben. Ehre akzeptiert andere Personen dankbar für das, was sie sind, und nicht für das, was sie leisten – eine durchwegs positive Wertschätzung. Dazu gehören bei Benedikt auch die Aufnahme von Gästen, Fremden und Armen. Anhand des Kapitels über die Aufgaben des Abtes machte Fr. Michael deutlich, dass es zum einen um die Gleichheit, zum anderen aber auch um die Sensibilität für die Unterschiede zwischen den Personen geht. Das ist keine leichte Aufgabe und braucht Beratung, Zuhören und Nachdenken, bevor ein Urteil gefällt oder eine Entscheidung getroffen werden kann. Maßstab und Kriterium dieser Entscheidungen ist dabei immer der Fortbestand der Gemeinschaft.  Benedikt sieht keine Befehlsstruktur von oben nach unten vor, es geht ihm um die Verinnerlichung von Werten, die das Evangelium vorgibt. Dazu gehören nach Papst Franziskus auch so banal scheinende Dinge wie Höflichkeit, Dankbarkeit oder eine Entschuldigung.
Unter Demut versteht Fr. Michael eine innere Qualität, die nicht aus einer Willenskraft heraus entsteht, sondern das Ergebnis eines spirituellen Lebens ist. Sie ist Ausdruck der Begegnung mit etwas, was größer und edler ist als man selbst. Im Zusammenhang mit der Erziehung junger Menschen bedeutet dies auch, dass Pädagogen ihre Schüler dazu motivieren, sich in aller Ruhe und Stille mit Geduld daran zu machen, die Schwelle in die geistige Welt zu überschreiten. Demut führt dann zu Solidarität und zu Bewunderung. Demütige Menschen zeichnet aus, dass sie eher kooperativ als konkurrierend sind, Raum für andere schaffen und echte Empathie empfinden. Fr. Michael ermutigte das Auditorium dazu, gerade diese benediktinische Tradition an die Jugend weiter zu geben, um „eine neue Blütezeit von der Liebe zum Lernen und dem Verlangen nach Gott“ zu erleben.
Regionaltreffen und Walking Workshops
In den jeweiligen regionalen Treffen, d.h. der deutschsprachigen Länder, USA, Lateinamerika, Asien, Ozeanien wurden Erfahrungen ausgetauscht und anstehende Treffen auf Lehrer- und Schülerebene besprochen. Besondere thematisch ausgerichtete Walking Workshops führten die Konferenzteilnehmer in verschiedene Teile Sydneys, z.B. auf den Spuren des Ordensgründers Bischof Polding, der Aborigenes, nach Cockatoo Island, ins Mater Dei College oder des Frauengefängnisses aus der Zeit der Pioniere. Besonderes Interesse fand auch die Betrachtung der Architektur Sydneys.

Donnerstag, 3. Oktober
In einer Plenarsitzung wurden nach dem Morgenlob noch einmal besondere Aspekte benediktinischer  Erziehung aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet. Dabei können das Beten des Stundengebets, Lectio Divina, Gemeinschaft, Stabilität und der Respekt vor der Schöpfung ebenso eine wichtige Rolle spielen wie die bewusste Abkehr vom Lärm und von der Hektik der Welt und die Entdeckung des Göttlichen in der Welt. Lernen geschieht in erster Linie durch Erfahrungen oder durch das Zuhören. Wenn Eltern ihren Kindern über die Tradition erzählen, muss man sich auch den Herausforderungen der Globalisierung stellen. Besonders in Afrika ergeben sich aus der großen Bedeutung der unzähligen Stämme und Sprachen besondere Herausforderungen und es ist nicht leicht, die eigene Identität zu finden oder in Gemeinschaften zusammen zu leben. Zu lehren und zu unterrichten kann nicht nur ein Job sein, es bleibt eine Berufung angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeiten der jungen Menschen. Den jungen Menschen eine Stimme in der Kirche zu geben gehört wohl überall auf der Welt zu den besonderen Herausforderungen, wenn Kirche eine Zukunft haben soll. Die Kirche muss auf die Jugend hören, auf die Ängste und Sorgen der Jugend Antworten finden und sich sozial engagieren. Auch neue Möglichkeiten der Begegnung, z.B. in Jugendcafés scheinen eine wichtige Maßnahme zu sein.
Eine weitere Runde an Workshops und Treffen in den Deaneries schlossen den Vormittag ab. Am Nachmittag fand die Konferenz ihren inhaltlichen Abschluss verbunden mit dem besonderen Dank an alle, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben. Emotionaler und spiritueller Höhepunkt war dann der gemeinsame Gottesdienst in der St. Mary Concord Church mit dem Präsidenten der internationalen Kommission für internationale benediktinische Erziehung (ICBE), Abt Elias. Liturgische Tänze und eindrucksvoll dargebotene Musik durch die Schülerinnen des St. Patrick’s College zeigten, wie lebendig und vielfältig der gemeinsame Glaube gefeiert werden kann. Mit einem Empfang auf der Dachterrasse unter dem australischen Sternenhimmel und mit Dinner und Bushdance im Rosebank  College ging die Konferenz zu Ende. Die knapp 200 Teilnehmer aus 17 Ländern zeigten sich sehr angetan von den unterschiedlichen und doch auch gemeinsamen Erfahrungen und Umsetzungen benediktinischer Erziehung auf der ganzen Welt.
Die nächste internationale BENET-Konferenz wird im Oktober 2022 in Rio de Janeiro stattfinden.

Hubert Hering