Zeit - Impuls von Erzabt Wolfgang Öxler OSB

ZeitTempora mutantur et nos mutamur in illis.  -
Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen.


Heute Nacht haben wir die Uhren umgestellt auf Sommerzeit. Der Stundenzeiger wurde um eine Stunde vorgerückt.  Gut so, habe ich in der Zeitung gelesen, dann müssen wir eine Stunde weniger zuhause bleiben. Schön, wenn beim Ernst der Lage der Humor nicht ausgeht.  Allzu gerne würden wir gerade die Zeiger der Zeit voranstellen, dass dieser Alptraum Corona vorbei wäre.  Tempora mutantur et nos mutamur in illis. Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen. Noch nie ist mir dieser Satz so deutlich vor Augen gewesen. Es ändert sich gerade so vieles. Bei uns im Kloster sind aber auch plötzlich Änderungen möglich, an die vorher gar nicht zu denken gewesen wäre. Papst Franziskus sagte in seiner Ansprache beim Segen Urbi et orbi: „Wie viele Väter, Mütter, Großväter und Großmütter, Lehrerinnen und Lehrer zeigen unseren Kindern mit kleinen und alltäglichen Gesten, wie sie einer Krise begegnen und sie durchstehen können, indem sie ihre Gewohnheiten anpassen, den Blick aufrichten und zum Gebet anregen“. Wir warten darauf, dass die Einschränkungen wieder gelockert und aufgehoben werden können. Niemand kann sagen wie lange wir noch warten müssen. Je dringender wir auf etwas warten, desto langsamer vergeht die Zeit. Im heutigen Sonntagsevangelium hören wir die Geschichte von Lazarus. Die Schwestern des Lazarus haben sich in einer ähnlichen Situation befunden, als sie zu Jesus geschickt haben, dass ihr Bruder ernsthaft erkrankt sei. Wer hätte mehr als sie erhoffen könne, dass Jesus unverzüglich kommt und seinen Freund rettet.


In der Erzählung von der Auferweckung des Lazarus steht der menschlichen Wirklichkeit des Sterbens die göttliche Wirklichkeit, die Leben erwecken und Tote lebendig machen kann, gegenüber. Da kann man nicht viel erklären. So etwas lässt sich nur glauben. Jesus fragt Martha: "Glaubst du das?". Das ist auch für uns die entscheidende Frage: Glaubst du das? Der Evangelist Johannes  hat es als  Glaubensherausforderung  formuliert indem Jesus zu Marta sagt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. – Glaubst du das?" In dieser Pandemie wird uns die  die Härte des Todes und unschuldig Sterbenmüssens vor Augen führt. So geht es darüber hinaus vielen, die unvorbereitet mitten im Leben von der Wucht des Todes getroffen werden, z.B. durch einen Unfall oder durch eine unerwartete Diagnose. In dieser geballten Wucht verlieren wir häufig den Glauben an einen liebenden und lebenspendenden Gott aus den Augen.

In der Lazaruserzählung geben die beiden Schwestern ihren Glauben an einen lebenerweckenden Gott nicht auf, auch wenn sie jede vordergründige Hoffnung, ihren Bruder lebend wiederzubekommen, aufgeben mussten. Wie tief musste ihr Glaube an die Macht Gottes und ihre Freundschaft mit Jesus gewesen sein!

Bei aller Ohnmacht in der gegenwärtigen Zeit dürfen wir erleben, wie kostbar in dieser beängstigenden Zeit Solidarität und Freundschaft ist. Trotz Abstandhaltens rücken Menschen einander näher, sorgen für einander, finden Wege und Zeichen, einander Mut zuzusprechen und zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, worauf es ankommt…  Glaube ist ein sich fest machen in Gott.  Ein solcher Glaube lässt uns über die Schrecken des Todes hinaus Hoffnung wachsen. Was bleiben will muss sich ändern. Möge Gott uns beistehen, wenn wir unser Ändern leben.