Aushalten - Impuls von Erzabt Wolfgang Öxler OSB

Morgennebel

Zwischen Tod und Leben – Karsamstag neu entdecken

Sabbat

Früh am Morgen beim Spaziergang herrscht in St. Ottilien noch Grabesruhe. Die Wiese liegt ruhig im Morgengrauen. Der Nebel liegt dicht über dem Boden und kündet noch von der vergangen Nacht. Im Judentum ist der Samstag der Sabbat, der Ruhetag, an dem nicht gearbeitet werden soll. Am Samstag kommt niemand zum Grab Jesu, es ist der Tag der Grabesruhe.

Shutdown

„Herr, Herr wie lange noch muss ich Sorgen tragen in meiner Seele, Kummer in meinem Herzen Tag für Tag?“ So singen wir Mönche im Psalm 13. Die Jünger hängen völlig in der Luft. Sie können vieles nicht mehr verstehen. Sie müssen es geschehen lassen und  abwarten.  Nicht nur die Jünger. Durch den Corona Virus hängen wir auch gerade in der Luft und sind in Warteposition versetzt. Shutdown  – alles ist heruntergefahren!  Wann werden die Ausgangsbeschränkungen gelockert?  Wann können wir wieder zusammen Gottesdienst feiern?  Wann darf ich mich wieder mit meinen Freunden treffen?  Die erzwungene Wartezeit hilft manchmal, das zu tun, wozu sonst keine Zeit bleibt. So gibt die Zeit des Wartens Gelegenheit für liegengebliebene Dinge, aber auch für die Familie und das Atemholen der Seele.  Der Karsamstag ist für mich ein Tag des Wartens.

Karsamstag ist der Tag  „dazwischen“

Kaum etwas vermag die Situation des Christen heute so zu kennzeichnen wie der Karsamstag. Wir stehen dazwischen - zwischen der Erfahrung des Todes Jesu und seiner Auferstehung. Der Karsamstag ist der Tag „dazwischen“. Vielleicht erleben sie in ihrem Leben auch dieses „Dazwischen“.  Das Alte  ist nichtssagend geworden und das Neue ist noch nicht greifbar.  Manchmal ist man zwischen zwei Meinungen;  zwischen dem Kopf und dem Herzen; zwischen bleiben und weggehen... Genau in diesem „Dazwischen“,  in der Spannung von   Nicht-Mehr und Noch- Nicht, da spielt sich das Leben ab, da erleben wir unseren Glauben. Für Ungeduldige ist das „Dazwischen“  die absolute Herausforderung. Und doch dient gerade diese Zeit der inneren Reifung.  Es braucht die Leere, die Stille, die nicht vorschnell gefüllt werden darf. Nur so kann der Übergang gelingen. Wo etwas leer ist, kann sich Zukunft einnisten. Perfekte Menschen  schauen ungern auf die Zwischenräume sondern, schließen einen Bund mit dem Ende.  Es braucht in ihrem Leben ein vorzeigbares Ergebnis. Nur wer loslässt, kann sich auf Neues einlassen

Was passiert, wenn alles still ist?

Auch wenn äußerlich alles still ist, können innere Prozesse umso mehr in Gang gesetzt werden. „Seid stille und erkennt, dass ich Gott bin.“ (Ps. 46)  Wie das Weizenkorn, das in die Erde fällt und keimt, obwohl äußerlich nichts wahrnehmbar ist.  Es hat die dunkle Erde durchdrungen. Es hat sich bereit gemacht für einen neuen Morgen, einen neuen Anfang. Ostern bedeutet, dass das Leben gewinnt.  Weil es diese Zuversicht von Ostern gibt, bestimmt nicht Sorge um die Zukunft das Warten; Nicht die Frage: Wie geht es weiter? Oder die Verzweiflung. Weil es Ostern gibt, kann ich die Grabesruhe und das Warten aushalten.  Heribert Brandl brachte es so zum Ausdruck: „Es könnte sein, dass die prekäre Oster-Stille des Jahres 2020 eine besondere Kraft entwickelt.