Zweifel erlaubt - Impuls von Erzabt Wolfgang Öxler OSB

 

WolkenIch glaube nur was ich sehe!

Ein Astronaut traf sich eines Abends mit seinem guten Freund, der Gehirnchirurg war. Während sich die beiden von ihrem Leben, ihren Sorgen und wünschen erzählten, kamen sie auch auf Gott zu sprechen. Der Astronaut meinte: „Ich kann an Gott einfach nicht glauben!“ Warum nicht?“, entgegnete sein Freund. „Ich fliege seit Jahren ins All und habe Gott nirgends gefunden.“  Darauf antwortete der Chirurg: „Und ich operiere seit Jahren Gehirne – habe dort aber trotzdem keine Träume gesehen.“

Thomas der Zweifler

Diese Geschichte spricht für sich und erinnert mich an den „ungläubigen“ Thomas. Wie  Wolken haben ihm seine  Zweifel, den strahlend blauen Himmel seines Glaubens verdunkelt. Thomas will es wissen. Was die anderen ihm sagen, das reicht ihm nicht. Er will seinen Glauben an Jesus nicht auf den Aussagen anderer aufbauen. Thomas  passt in unsere Zeit. Wir verlassen uns auch  auf das, was wir verstehen. Dass Tote zurückkommen ist nirgends erwiesen und widerspricht jeder normalen Lebenserfahrung. Darf ein Gläubiger zweifeln?

Zweifel -  der Bruder des Glaubens (T. Halik)

Es ist besser ehrlich zu zweifeln als unehrlich zu glauben. Der Zweifel ist kein Verrat am Glauben.  Frederick Buechner bringt diese gesunde Notwendigkeit des Zweifels humorvoll auf den Punkt: „Zweifel sind die Ameisen in der Hose des Glaubens; sie halten ihn wach und in Bewegung. “Jesus selbst lässt seine Zweifel zu. Menschen, die felsenfest glauben ohne je zu zweifeln, sind beneidenswert. Aber sie sind nicht die besseren Gläubigen. Thomas also, der Zwilling mit den zwei Seiten: der kritische, nüchterne Verstandesmensch - und der Suchende, der  nicht leichtgläubig ist.  Beim zweiten Treffen der Jünger  ist Thomas  mittendrin. Er gibt seine Zweifel nicht an der Tür ab.  Der auferstandene Christus fordert nun den Thomas auf: „Streck deinen Finger aus -hier sind meine Hände! Und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Christus kannte den  Thomas, kannte den Zwiespalt in ihm, die zwei Stimmen, die in ihm hin und her gingen -vielleicht auch in uns hin und her gehen: Soll ich glauben? Soll ich glauben, was die Jünger da zu Ostern verkünden und was die Kirche weitergibt? Ist das nicht völlig unrealistisch, eine Illusion, ein frommer Wunschtraum -diese Auferstehung? Passt das noch in unsere Welt? Aber andererseits: Wie dumm zu sagen: Ich glaube nur, was ich sehe!  Ich weiß, dass es Träume gibt und glaube dem Chirurgen, dass er noch keinen gesehen hat. Gott ist größer als unser Begreifen. Seine Einladung an Thomas, an uns: Sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Jesus lädt uns ein: Komm heraus aus dem Einerseits und andererseits, aus dem ewigen Abwägen, aus der Skepsis. Komm heraus aus dem Zwiespalt, aus dem Hin und Her der Stimmen, aus dem Wenn und Aber, aus dem Ja und dem Nein. Komm, streck deinen Finger aus, und werde eindeutig. Und das tut Thomas dann wirklich sehr deutlich: „Mein Herr und mein Gott!“ Das ist nun ein echtes und eindeutiges Glaubensbekenntnis in fünf Worten!

Ich möchte glauben Herr, komm mir entgegen!

Thomas wagt den Sprung zum Glauben. Wenn einer Fallschirmspringen will, dann kann und muss er zuvor theoretisch einiges lernen, damit er weiß, wie das geht. Aber es bleibt alles Theorie, bis er selbst einmal einen Sprung gewagt hat. So ist es auch mit dem Glauben. Das Glaubenswissen und alle möglichen Beweise sind zu wenig. Ob der Glaube  mich wirklich trägt, weiß ich erst, wenn ich den Sprung auf Jesus hin gewagt habe, wenn ich ihn beim Wort genommen und mit ihm wirklich gerechnet habe.
Was könnte uns heute helfen, wie Thomas aus dem Hin und Her zur Klarheit des Glaubens zu kommen? Zumindest können wir uns ausstrecken nach ihm, nach Jesus, - nicht so sehr unseren Finger als  unsere Sehnsucht. In dem Lied von Huub Oosterhuis , (Ich steh vor dir mit leeren Händen Herr GL 422) heißt es: „Von Zweifeln ist mein Leben übermannt. Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen!“  Ja, Herr, komm uns doch entgegen, wie du dem Thomas entgegengekommen bist. Trotz der der Zweifel, die wie Wolken am Himmel stehen, kann Thomas in aller Klarheit und Schlichtheit beten: Mein Herr und mein Gott!