Blume - ein Sinnbild für Liebe und Leben - Impuls von Erzabt Wolfgang Öxler OSB

TulpeTulpengeschichte

An einem Mittwoch fühlte sich die Tulpe gar nicht so toll. Es war ziemlich kühl und außerdem war ihr lausekalt, besonders am Stengel. Heut habe ich geschlossen, sagte die Tulpe.  „ Ja, was ist denn los“, fragte die Hummel. „Geschlossen“, sagte die Tulpe.  Die beiden Bienen wunderten sich auch. „Warum ist die Tulpe nicht geöffnet?“  Langsam ging ihr das ganze Getier auf die Nerven. Und wer an diesem Tage auch kam, die Schwebfliege oder der Schmetterling, die Tulpe war nicht zu bewegen, ihre Blüten zu öffnen. Viele Vorschläge wurden eingebracht. Vom Durchkitzeln bis einfach draufsetzen war da alles dabei. Da kam der alte Maikäfer. Er hatte eine gute Idee. Jeder sollte etwas Nettes zu der Tulpe  sagen. „Wie schön sie ist“, fing da der Marienkäfer an zu schwärmen. „Und ein so edler Stiel“, summten die Bienen. „Seht mal das Rot ihrer Blütenblätter“, schwärmte der Schmetterling. So kam ein Kompliment nach dem anderen. Hätte die Tulpe nicht schon rote Blütenblätter gehabt, sie wäre errötet.  „So schlecht war dieser Tag doch eigentlich nicht“, murmelte die Tulpe vor sich hin.  Was die Tierchen für nette Sache zu sagen wussten. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus: „Hach“, tat sie einen leisen Seufzer und damit öffneten sich ihre Blüten. Alle beglückwünschten den Maikäfer  für seine gute Idee.

Die Freiheit zu blühen

Es liegt in meiner Entscheidung mich dem Leben zu öffnen und zu blühen. Es liegt auch in meiner Entscheidung,  ob ich mich dem Leben verweigere und Liebe schuldig bleibe.  Wer ständig verschlossen bleibt wird einsam. Da sagen Menschen zu mir: „Wenn ich andere Bedingungen hätte, dann könnte ich auch blühen.“  Zum Beispiel: Wenn ich einen besseren Chef hätte oder über mehr Geld verfügen könnte.  Es ist gut sich nicht von Bedingungen abhängig zu machen, sondern an dem Platz zu blühen, wo ich hingepflanzt worden bin.

„Sunder Warumbe“

Kann die Tulpe  sagen „Für gute Menschen will ich meinen Duft verströmen, doch vor bösartigen halte ich ihn zurück! Die Blume fragt nicht für wen sie blühen soll, sie blüht einfach. Der Baum fragt nicht, wer seine Früchte pflücken wird und er bringt Frucht. Wir Menschen fragen immer wieder nach dem Warum, Wofür und Wozu. Warum soll ich einen Gottesdienst mitfeiern, was habe ich davon?  In unserer Gesellschaft ist vieles auf einen Nutzen ausgerichtet. Alles hat nur einen Wert, wenn es verkäuflich ist. Konstantin Wecker besingt dies in seinem Lied: „sunder  warumbe“. Das heißt übersetzt: Ohne Warum!  Das ist ein Gedanke des Mystikers Meister Eckhart (Dominikaner  + 1328):

„Die Ros ist ohn Warum,
sie blühet, weil sie blühet,
Sie acht nicht ihrer selbst,
fragt nicht, ob man sie siehet.“


Die Liebe - sie wählt nicht aus.

Wenn Jesus sagt: „Liebt einander wie ich euch geliebt habe“, dann heißt das vielleicht --   die Menschen nicht mehr in Gut und Böse einzuteilen. Nicht meinen ich müsste für die guten duften und die schlechten hätten es sowieso nicht verdient. Da verdufte ich mich lieber. Die Blume  verströmt ihren Duft, ob es jemanden gibt der ihren Duft genießt oder nicht. Mahatma Gandhi wurde einmal von christlichen Missionaren in Indien besucht. Sie wollten von ihm wissen, was sie tun müssten, damit die Inder Jesus besser verstehen. „Denken sie an das Geheimnis der Rose“, meinte Gandhi. „Sie tut gar nichts, aber sie duftet. Und deshalb wird sie von allen geliebt. Duften Sie also, meine Herren!“


Blume -  Dolmetscherin der Liebe

Wir sind für das verantwortlich, was wir ausstrahlen. Es geht immer etwas von uns aus: Wohlwollen, Abneigung, Hass oder auch Mitgefühl. Liebe beginnt nicht beim Wort und bei der Umarmung, sie beginnt in unserer inneren Haltung. Wer nicht lieben kann, kann sich nicht öffnen. Er kann dann auch nicht blühen  und reifen. Was wir am Ende unseres Lebens in Händen halten, sind nicht Leistungen und Werke.  Wir werden uns zuerst bewusst, wie viel wir geliebt haben ohne warum. So ergeht heute auch an sie  die Einladung: Duften Sie! Die Blume ist die Dolmetscherin der Liebe. Sie spricht in allen Sprachen und wird in allen Sprachen verstanden.  Viele Tulpen blühen gerade. Verschenken sie doch ein Kompliment mit einer Tulpe verpackt. Da können sie vielleicht einen Menschen in ihrer Nähe zum  „Hach“ , zum Blühen bringen.