Vertrauen - Impuls von P. Claudius Bals OSB

WegkreuzVertrauen

Wenn  wir uns dem Thema Vertrauen zuwenden, so erleben wir gerade in unseren Tagen der Pandemie eine tiefe Erschütterung dieser Grunderfahrung des menschlichen Daseins. Es geht nicht nur um Misstrauen gegenüber Menschen, denen man nicht trauen kann, nicht um Situationen, die man misstrauisch verfolgen muss. Nein, es geht um die Erschütterung des Vertrauens gegenüber Menschen, zu denen wir in gewohnter Situation durchaus Vertrauen haben, ja auch zu uns selbst. Wir können den Menschen, auch den liebsten, nicht mehr trauen, dass sie uns anstecken könnten. Wir stellen uns die Frage, werden wir die Krise überstehen, mein Ehepartner, meine Kinder, ja auch ich selbst. Werden es die Politiker schaffen, die rechten Entscheidungen zu treffen? Wird das wirtschaftliche System die Belastung aushalten?

Und da kommt schließlich ganz massiv die Gottesfrage: Wie kann Gott so etwas zulassen?  Wie im zweiten Weltkrieg taucht wiederum die Frage auf, wo warst du Gott in Stalingrad? Wo bist du heute Gott bei verzweifelten Familien, wo in den Slums in Afrika und Asien, in  denen Kinder und Erwachsene vor Hunger und Krankheit zugrunde gehen? Die Situation ist drastisch genug, wir müssen sie nicht noch anschaulicher schildern. Viele Theologen suchen nach Antworten, andere verstummen sogar angesichts des Leides, wieder andere verweisen auf das göttliche Geheimnis.

Und doch gibt Gott eine Antwort. Gott gibt uns keine theoretische, theologische Antwort, die uns das Leid einsichtig machen könnte. Gott stellt sich dieser immerwährenden Weltklage persönlich. Gott hat sich in das Leid dieser Welt in einem apokalyptischen Geschehen am Kreuz eingelassen. Er lässt sich so tief in das Leid und in die Klage ein, bis sie zu seiner eigenen Klage wird: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Niemals hat Jesus seinem Vater im Himmel einen Vorwurf gemacht, dass er eine Schöpfung ins Dasein rief, die eine so abgrundtiefe Möglichkeit zu Schmerz und Leid, zu Sünde und Tod in sich trägt. Jesus erklärt nicht, warum es das Böse in der Welt gibt, woher es kommt und welchen Sinn es haben soll. Er nimmt vielmehr die Schöpfung an, wie sie ist, nimmt das durchkreuzte Leben auf seine Schultern und richtet es zu seinem Vater im Himmel auf. Rudolf Otto Wiemer bekennt: "Keins seiner Worte glaubte ich, hätte er nicht geschrien: "Mein Gott, warum hast du mich verlassen?"

Warum Gott in seiner so herrlichen Schöpfung auch maßloses Leid, abscheuliche Sünde und Schuld zulässt, bleibt uns wohl ein unergründliches Geheimnis. Das unendlich viel tiefere Geheimnis ist jedoch seine Liebe, mit der er sich selbst in Jesus auf diese seine Schöpfung einlässt. So wird das Kreuz für glaubende Menschen Trost im Leiden und Hoffnung im Sterben. Zugleich ist der Kreuzestod Jesu das zuverlässigste Zeugnis für den Sieg der Liebe über alles Leid und jedes Böse und die Auferstehung die vertrauensvollste Bestätigung dieser Wahrheit.