Die Pieta - Impuls von P. Claudius Bals OSB

pietaDie Pieta – das Leiden der Frauen.

Wir wollen uns heute nochmals der Person Mariens zuwenden. Gerade weil sie uns in dieser harten Zeit Trost und Hoffnung schenken kann.


Wer die rechte Seitenkapelle der Klosterkirche, die Dolorosakapelle, betritt, dem öffnet sich ein Raum mit einer besonders dichten Atmosphäre. Die spätgotische Muttergottes mit dem toten Sohn auf dem Schoß, Pieta oder auch Vesperbild genannt, fängt sofort den Blick des Besuchers auf. Trotz der leidvollen Situation strahlt die Figur Hingabe und Frieden aus.


Maria will nicht Mitleid beim Betrachter auslösen, sondern das Leiden und Sterben ihres Sohnes als ureigenste Erfahrung ihrer selbst mitteilen. Maria lässt sich in den Schmerz ihres Sohnes ein, wie dieser sich selbst in die Abgründe des Leides dieser Welt für jede Zeit eingelassen hat. "Maria im Elend", wie wir auch gerne sagen, ist immer aktuell. Sie führt uns das abgrundtiefe Leid nicht weniger Frauen auch in unserer Zeit vor Augen: die nie heilenden Wunden der Mütter, die ihrem Kind ins Grab schauen mussten, die unermessliche Not der Mädchen und Frauen, die geschändet und vergewaltigt wurden, die Ausbeutung von Kindern und Frauen in Fabriklagern der Dritten Welt, die unterdrückten und manchmal auch geschlagenen Frauen in Ehe und Familie und auch die Benachteiligung der Frauen in Kirchen und Religionen.


Es gibt keine zeitgemäßere Betrachtung einer Pieta als die oftmals beschämende Situation von Frauen, auch noch in unseren Tagen, vor Augen zu führen. Die Ausstrahlungskraft der Pieta in diesem abgeschlossenen Bereich der Kirche kann vielen Frauen tiefen Trost und zugleich Ermutigung spenden. Für alle, für Frauen und Männer sollte sie ein Anstoß zum Überdenken der Frauenfrage in unserer gegenwärtigen Zeit sein. Jesus selbst hat Frauen höchste Achtung entgegengebracht und ihnen, wo es notwendig war, ihre Würde zurückgegeben.


Nicht Leid und Schrecken, nicht Verzerrung und Entstellung bringt der Künstler in dieser Statue zum Ausdruck, sondern Harmonie, Ruhe und Frieden und führt den Betrachter zur Versöhnung zwischen Liebe und Leid, zwischen Leben und Tod.
Noch weiter führt uns die Pieta von Michelangelo im Petersdom zu Rom in das Geheimnis des Leidens ein. Wie kann der Künstler die leidende Maria als wunderschöne junge Frau darstellen?  Doch nur weil er die Schönheit der Seele dieser leidenden Frau zum Ausdruck bringen wollte. Sagen wir nicht auch im Sprichtwort: „Leid adelt.“ Es ist es wert, angesichts einer solchen Darstellung Mariens, Trost  zu suchen, Kraft zu schöpfen und unsere Hoffnung zu stärken.


Danken wir Gott von Herzen, dass wir auch in unseren Tagen großartige Frauen haben, die sich in Politik, Gesellschaft und Kirche, ohne nach Vorteil und und Anerkennung zu schielen, für menschliche
Gerechtigkeit und Werte einsetzen und sie auch verwirklichen.