Toleranz - der Weg in die Zukunft - Impuls von P. Claudius Bals OSB

Kreuz“Da streiten sich die Leut herum´... der eine heißt den andern dumm. Am End weiß keiner nix.”

Dieser wunderbare Text im Hobellied von Michael Heltau enthält einerseits die Versuchung zur Resignation in der Sinnfrage des Lebens, kann aber andererseits auch zu einer tiefen Gelassenheit und zu einer fruchtbaren Toleranz in unserer Lebenseinstellung führen. Nicht nur profaner Populismus sondern auch religiöser Fundamentalismus feiern heute wieder fröhliche Urständ. Gerade in unserer Zeit, da nicht nur durch die Pandemie, sondern noch mehr durch die Umweltfrage die Probleme der Zukunft bedrängender werden, brauchen wir umso dringender eine globale Toleranzhaltung. Wir müssen als Katholliken Abschied nehmen von einer Einstellung “extra ecclesia nulla salus” - außerhalb der katholischen Kirche kein Heil. Diese Einstellung war nicht nur Anlass zu persönlichen Feindschaften, sondern führte auch zu unzähligen und unseligen Religionskriegen.
Toleranz heißt nicht, Glaubensauffassungen anderer Kirchen und Religionen zu bejahen, sondern zu tolerieren und beim Studium anderer Religionen die eigene Glaubenswahrheit vertiefen.

Grundlegende Voraussetzung für eine gesunde tolerante Haltung ist die geistige Demut. Zunächst darf ich meinen Glauben niemals als persönlichen Verdienst, auch nicht bei allem Einsatz für Nächstenliebe und Kirche, ansehen, sondern darf nur mit Johannes dem Evangelisten voller Dank sagen: „Gnade über Gnade.“

Der wesentliche Grund aber liegt in der Vateroffenbarung Gottes in seinem Sohn Jesus. Solange wir Gott als einen allmächtigen Herrscher glauben und diese Herrschaft auch die Juden für Jahwe und die Muslim für Allah beanspruchen, wird und kann es zwischen den Menschen keinen Frieden geben. Erst wenn wir unsere Gotteserfahrung als Urgrund von Liebe und Frieden für alle Menschen  erkennen, werden wir eine gute Zukunft für unser menschliches Dasein auf dieser Erde erhoffen dürfen.

Wir sollten für die Rückkehr der Mystik in unserer religiösen Gotteserfahrung unendlich dankbar sein. Gott, der mit seinem Geist, seiner Liebe und Schönheit in allem gegenwärtig ist, erweist sich zugleich  mit seiner Allgegenwart im Menschen als liebender Gott, als Vater aller Menschen. Nur in diesem Sinn kann Jesus sagen: „Was immer ihr einem dieser geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (MT 25,40) Dieser Satz gilt als Grundlage für alle missionarische Tätigkeit, für unsere Sendung in die ganze Welt, für alle Menschen gleich welcher Kirche, gleich welcher Religion. Uns in diese Falllinie der Vaterliebe Gottes zu allen Menschen zu stellen, ist die Herausforderung, zu der uns Jesus ruft. Wenn schon Bergpredigt, dann gerade für unsere Zeit und für alle Menschen.

Mit Recht fordert der großartige Theologe Hans Küng zum Weltfrieden auf: Ohne Frieden zwischen den Religionen keine gedeihliche Zukunft für die Menschheit. In diesem Sinn hat er auch das Institut für „Weltethos“ gegründet. Diesem Dienst am Evangelium gilt auch der selbstlose Einsatz unseres Papstes Franziskus über alle Religionen hinweg bis zu den Menschen an den Rändern dieser Erde. Das gelungene Foto von unserem Br. Wunibald, Kreuz mit Halbmond, einem wichtigen Symbol im Islam, könnte ein wenig zur Toleranz gegenüber anderen Religionen anregen.