Schulterschluss mit Jesus – Meditation in schwieriger Zeit - Impuls von P Claudius Bals OSB


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Viel wird in diesen Tagen der Pandemie über Gott und den Glauben gesprochen, geschrieben und ernsthaft nachgedacht. Es werden Fragen gestellt: Ist die Pandemie eine Strafe Gottes für maßloses Verhalten vieler Menschen? Hat sich Gott aus seiner Schöpfung zurückgezogen? Warum greift Gott nicht ein? Wo bleibt der Erfolg unserer Bittgebete? Manche Theologen ziehen sich zurück und sprechen von Gott dem absoluten Geheimnis, dem ganz und gar Unbegreiflichen und Unfassbaren, dem ganz Anderen, der nicht dazu da ist, eine von Menschen verursachte schwierigen Situation zu korrigieren.
Bestimmt sind das auch Weisen der Gotteserfahrung. Die Heilige Schrift spricht aber eine andere Sprache: “Vielmals und auf vielerlei Weise hatte Gott von alters her zu den Vätern gesprochen durch die Propheten. Am Ende dieser Tage hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erbe des Alls eingesetzt, durch den er auch die Welt erschaffen hat.“ (Hebr 1,1f)


Jesus ist im Vertrauen auf Gott seinen Vater den Weg durch diese gebrechliche Welt gegangen, hat sich mit den Menschen, selbst mit seinen eigenen Jüngern, herumgeschlagen und hat sich mit dem Bösen bis ans Kreuz auseinandergesetzt.
Jesus hat den Menschen keine einsichtige theologische Antwort, wie wir sie heute  manchmal fast krampfhaft suchen, gegeben, sondern hat sich dem Leben und der Schöpfung so gestellt, wie sie ist.


Seine Antwort und sein Beispiel bestand darin, dass er die Liebe in allen Begegnungen mit den Menschen und allen Herausforderungen des Lebens und durch alles Leid hindurch zum Maßstab seines Lebens gemacht hat.


Wenn wir am Karfreitag beten: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“, dann berühren wir damit das tiefste Geheimnis unseres Lebens. Im Leid findet sich nicht nur Dunkelheit und Finsternis. Leid ist nicht nur Einschränkung des Lebens oder gar Betrug am Leben. Im Leid, sprich im Kreuz, finden wir Leben, Leben das uns zur Liebe herausfordert, Leben, das uns zum Vertrauen über jede Dunkelheit hinaus führt und uns die Hoffnung über das Sterben hinaus wie ein Senfkorn in uns wachsen lässt.
Welch große Gestalten sind aus tiefstem Leid und grausamen Sterben erwachsen, die uns heute noch eben diesen Trost und diese Hoffnung geben, nach denen wir verlangen. Wie viele Menschen setzen heute ihr Leben in aller Welt für Arme und Bedrängte ein oder gehen mutig den Weg der Wahrheit wie ein Nawalny in Rußland.
Wir sollten dankbar sein, welch großartige Leistungen angesichts der Pandemie in Wissenschaft, Politik, im Gesundheits- und Sozialwesen hervorgebracht werden. Wie viele Mitbürgerinnen und Mitbürger gehen bis zu den Grenzen ihres Leistungsvermögens, viele, vielleicht die meisten auch ohne explizit christlichen Glauben. Der Mensch wächst an seinen Herausforderungen. Das ist gemeint, wenn wir beten: „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung.“ Das sind keine frommen Floskeln in der Liturgie des Karfreitags, sondern ist der reale Blick im Glauben auf das Leben.


Im Umgang mit den verwaisten Eltern habe ich die Erfahrung gemacht, dass manchen, die sich mit ihrem schweren Schicksal auseinandergesetzt und zu einer tieferen Lebenseinsicht und Lebenshaltung gefunden haben, sich trotzdem die Frage stellt: Musste es ein so schwerer Schicksalschlag sein, um zu dieser inneren Reife zu kommen? Steht das Ganze noch in einem richtigen Verhältnis? Wir mussten diese Frage stehen lassen. Auch uns bleibt angesichts dieser Problematik nur der demütige Blick auf das Kreuz und die Antwort, die Jesus den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus gegeben hat „Musste nicht der Messias alles dies erleiden und so in seine Herrlichkeit gelangen?“ (Lk 24,26)


Das sind keine religiösen Beschwichtigungsversuche, sondern eine Quelle der Kraft, mit der Realität des Lebens am besten zurechtzukommen. Es ist das Öl im menschlichen Betriebssystem zur Bewältigung der Herausforderungen, die immer wieder neu und auf verschiedene Weise auf uns zukommen.
Wenn wir uns je neu die Frage stellen, wo bleibt Gott in dieser Welt? So kann die Antwort nur lauten: im Schulterschluss mit Jesus.
Wenn die Coronakrise die Grundfesten unserer Gesellschaft ins Wanken bringt, dann ist die Kirche gefordert, die Unmittelbarkeit der Liebe zu verkünden und einzufordern und jeder, der Dienst im Reich Gottes tut, sich in aller Bescheidenheit selbst darauf einzulassen. Gott möge uns im Gebet Einsicht und Kraft schenken!

P. Claudius Bals OSB