"Le Chemin de la Croix"

Konzert

Der Kreuzweg von Marcel Dupré mit Texten von Paul Claudel

Prof. Norbert Düchtel (Orgel)
Alex Dorow (Sprecher)

Der „Kreuzweg“ Marcel Dupres ist eine der bedeutendsten Orgelkompositionen unseres Jahrhunderts. Wenngleich stilistisch noch der sog. orgelsymphonischen Schule Frankreichs zugehörig, wächst es aus dieser heraus und schafft einen Musiktyp, der als musikalische Gattung keine festen Züge aufweist: die Orgelmeditation.

Hier begründen die „Symphonie-Passion“ op. 23 (1921 in improvisierter und 1924 in notierter Fassung) und der „Chemin de la Croix“ (1931 in improvisierter und 1932 in notierter Fassung) eine für Frankreich neue geistliche – d.h. auf biblisches oder liturgisches Wort bezogene Orgelmusik, die mit dem im 2. Weltkrieg so jung gefallenen Jehan Alain und Olivier Messiaen ihre großartige Fortführung erfährt.

War ein Spezifikum der deutschen Orgelmusik vom Barock bis zu Reger die Orientierung am deutschen Choral der Reformation, so entnahm man erst im späten 19. Jhdt. in Frankreich wieder Motive aus dem gregorianischen Choral und schloß an die Tradition des 16. und frühen 17. Jhdts. an. Die liturgisch verwendete Orgelmusik der Klassik, des 17. und 18. Jhdts., also die Couperins, Le Mages, Marchands und Clerambaults war eher von den weltlich-höfischen Kompositionsstilen beeinflußt. Ihr Anliegen war das technisch brillante Ausschöpfen der stark Zungen- und Cornett-besetzten Orgeln.

Nach der französischen Revolution hat die gallische Kirche trotz großer positiver Auseinandersetzungen einzelner mit dem Christentum – man denke an Chateaubriands „Génie du Christianisme“, erst im 20. Jh. die Kraft zu einer großen Laienbewegung zurückgewonnen, dem sog. „Renouveau Catholicque“, der den propagierten Laizismus, wenn auch nicht ganz überwand, so doch herausforderte. An seiner Spitze standen die Autoren Charles Péguy und Paul Claudel, an dessen Konversion in der Kathedrale Notre Dame von Paris noch heute eine Platte erinnert.

Und so entstand der „Kreuzweg“: Am 13. Februar 1931 spielte Dupré im Brüsseler Konservatorium (nicht in der Kirche!) ein Konzert; dann las die Schauspielerin Madelaine Renaud das in hymnischer Prosa verfaßte Gedicht über die 14 Leidensstationen Christi, über die Dupré improvisierte. Die geistliche Atmosphäre muß, wie Zeitgenossen berichten, von einer unbeschreiblichen Dichte gewesen sein. Unmittelbar danach ging Dupré daran, das Werk aufzuzeichnen. Am 18. März 1932 wurde die Komposition in der definitiven Form im Trocadero-Palast in Paris (wiederum nicht in der Kirche!) uraufgeführt

Um den Text Claudels in seinem historischen Stellenwert zu verstehen, müßte man wohl Franzose sein und um 1930 leben. Für uns hier und heute ist er zu fremd, seine deutsche Übersetzung zu schlecht. Wir haben uns daher entschieden, die wesentlichsten Abschnitte daraus zu lesen und dann die Aussage durch Texte aus der Heiligen Schrift zu ergänzen. Wir wollen kein historisches Gesamtkunstwerk präsentieren, sondern – vielleicht – einen Hauch von jener legendären Betroffenheit vom 13. Februar 1931 heute zu vermitteln versuchen.
(Prof. Dr. Hartmut Riemenschneider)

Veranstaltungsdatum
07.04.2023 - 10:00